Die Diskussionsveranstaltung beleuchtete offen und fachlich kompetent aus unterschiedlichen Perspektiven das vergangene westliche Afghanistan-Engagement und bot viel Anregung zum Nachdenken und Weiterdiskutieren.
In einem Impulsvortrag ging Frau Sara Nanni, MdB (Sicherheitspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen) auf den Abzug der amerikanischen und verbündeten Truppen aus dem Land ein. Das sog. Doha-Abkommen sei ein „Kapitulationsabkommen“, bei dem die europäischen Alliierten kaum Einfluss auf die Gestaltung gehabt hätten. Die dabei zutage getretene vermeintliche Schwäche habe den russischen Präsidenten Putin zum Angriff auf die Ukraine ermuntert.
In der Podiumsdiskussion begann Prof. Dr. Conrad Schetter mit einem historischen Rückblick auf die gewaltvolle Geschichte Afghanistan und verwies auf mehrere Konfliktherde, denen sich das Land ausgesetzt sehe. Frau PD Dr. Evelyn Bokler-Völkel widmete sich der Taliban-Ideologie und ihre Legitimation, die sie als kasuistisch-nationalistisch beschrieb. Die Taliban hätten seit ca. 30 Jahren eine starke Transformation durchgemacht, seien lernfähig angesichts der Herausforderungen und müssten sich dem Spannungsfeld von Tradition und Gegenwart stellen. Frau Sara Nanni stellte die Fehleinschätzungen der westlichen Regierungen im Umgang mit einer Lösung des Afghanistan-Konfliktes heraus: Man habe die USA einheitlich betrachtet, nicht aber die internen verschiedenen Interessen wahrgenommen. Brigadegeneral a.D. Dr. Michael Bartscher erläuterte das deutsche Engagement in ISAF sowie die Fehleinschätzung der Lage.
Im Anschluss dessen ging es um die Frage nach der Anwendung von Gewalt sowie den Rückhalt der Taliban in der Bevölkerung und damit einhergehende Stabilität des diktatorischen Systems. Die unzureichende Strategiefähigkeit Deutschlands sei ein weiteres Defizit im Umgang mit Afghanistan. Schließlich befasste sich die Diskussion mit der Frage nach den Beziehungen zu den Taliban heute angesichts der humanitären Lage.